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Herr Odermatt, bedeutet Beistandschaft Hilfe oder Einschränkung?

Vielen TIXI Fahrgästen steht eine Beistandsperson zur Seite, die sie bei der Bewältigung ihres Alltags unterstützt. Der Jurist Markus Odermatt ist Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands der Berufsbeistandspersonen (SVBB) und beschreibt, wie eine Beistandschaft zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelingen kann.

Fokus

Markus Odermatt, Geschäftsführer beim Schweizerischen Verband der Berufsbeistandspersonen

Interview mit Markus Odermatt, Geschäftsführer beim Schweizerischen Verband der Berufsbeistandspersonen

Herr Odermatt, eine Beistandschaft wird von der KESB stets zum Wohle einer schutzbedürftigen Person angeordnet und verfolgt somit eine gute Absicht. Weshalb ist das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung trotzdem oft negativ behaftet?

Markus Odermatt: «Eine Beistandschaft greift immer in urpersönliche Rechte ein und wird deshalb von vielen mit Skepsis betrachtet. Zudem ist es wichtig, zwischen der medialen Wahrnehmung und der Wahrnehmung von Beistandspersonen bei den Betroffenen zu unterscheiden. In den Medien werden oft nur die Negativbeispiele thematisiert. Unzufriedene verbeiständete Personen haben ein grösseres Interesse daran, öffentlich zu machen, was schiefläuft. Positive Beispiele kommen medial so gut wie nicht vor – auch, weil unser Berufsstand sie zu wenig kommuniziert. Meiner Erfahrung nach sind die meisten Schutzbedürftigen aber überwiegend zufrieden mit der Arbeit ihrer Beistandsperson.»

Als Beistandsperson arbeitet man stets im Auftrag der KESB, soll aber gleichzeitig die optimale Lösung für die Schutzperson finden. Kann das überhaupt gelingen?

Markus Odermatt: «Das ist kein Widerspruch. KESB und Beistandspersonen arbeiten mit dem gemeinsamen Ziel zusammen, eine Lösung umzusetzen, die angesichts der gegebenen Umstände die bestmögliche für die betroffene Person darstellt. Im Einzelfall kann das bedeuten, dass der Wille des Einzelnen nicht umsetzbar ist oder ein Konflikt mit dem Umfeld entsteht. Beistandspersonen sind sich der Tatsache bewusst, dass es keine Lösung aus der Schublade gibt, sondern stets den individuellen Umständen Rechnung getragen werden muss. Auch wenn es kompliziert ist.»

Was braucht es, um zwischen Beistandsperson und Schutzbedürftigem ein Vertrauensverhältnis herzustellen?

Markus Odermatt: «Das Motto lautet gegenseitige Akzeptanz statt Opposition. Betroffene Personen sollten ihren Beistandspersonen einen gewissen Vertrauensvorschuss gewähren und dürfen darauf vertrauen, dass sie in ihrem Sinne handeln. Zudem ist die Chemie zwischen beiden Parteien wichtig. Nicht jede Beistandsperson passt zu jedem Mandat. Manchmal sind mehr Kommunikationsfähigkeiten gefragt, manchmal eher Finanzkenntnisse. Es ist eine grosse Herausforderung für die KESB, je nach Fall die richtige Beistandsperson zu finden. Gleichzeitig müssen auch Beistandspersonen ständig selbst hinterfragen, ob sie die richtige Person für ein Mandat sind.»

«Die Chemie zwischen beiden Parteien ist wichtig».

Markus Odermatt Geschäftsführer Schweizerischer Verband der Berufsbeistandspersonen

Jurist:in, Pädagog:in, Psycholog:in, Verwaltungsexpert:in: Eine Beistandsperson muss ja nahezu ein:e Alleskönner:in sein, um Menschen im Alltag zielgerichtet unterstützen zu können. Welche Charaktereigenschaften helfen, um das Amt ausfüllen zu können?

Markus Odermatt: «Eine Grundausbildung in sozialer Arbeit und spezielle Kenntnisse in Pädagogik, Psychologie oder Recht sind eine sehr gute berufliche Voraussetzung. In der Praxis sind aber vor allem Empathie, Kommunikationsfähigkeit und die Freude am Umgang mit Menschen wichtig. Nur wer diese Fähigkeiten mitbringt, kann in die Tiefe der Persönlichkeit des Gegenübers abtauchen und dessen Bedürfnisse erspüren.»

Sie sind selbst schon lange im Kindes- und Erwachsenenschutz tätig. Was motiviert Berufsbeistandspersonen Ihrer Meinung nach, Menschen in kritischen Lebenslagen beizustehen?

Markus Odermatt: «Aus vielen Gespräche weiss ich, dass die positive Rückkopplung entscheidend ist. Wenn Schutzpersonen oder Personen aus ihrem Umfeld zurückmelden, dass sie mit einem Entscheid zufrieden sind, steigt die Motivation. Die allermeisten Berufsbeistandspersonen haben eine sehr hohe soziale Verantwortung. Nichts ist sinnstiftender für sie, als eine Lösung zu finden, die für die betroffene Person stimmig ist – und im Idealfall auch für andere Beteiligte.»

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik freihätten: Was würden Sie gerne an den  Rahmenbedingungen für Ihren Berufsstand ändern?

Markus Odermatt: «Leider hat es der Gesetzgeber verpasst, die Organisation der Beistandschaft  auf nationaler  Ebene zu regeln. Bei der Umsetzung reden deshalb neben der KESB vor allem die Kantone sowie die Städte und Gemeinden mit. Das macht es für uns als Verband sehr schwer, einheitliche «best practices» zu definieren, die schweizweit angenommen werden – und führt leider manchmal zu Unverständnis bei unseren Mitgliedern.»

Mehr Informationen zu den vier Arten der Beistandschaft

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