Mit 39 Jahren wurde der erfolgreiche Wirtschaftsanwalt Nicolas Scholl mit einer Diagnose konfrontiert, die sein Leben komplett veränderte: Lymphdrüsenkrebs. Ein Medikament, das ihm während der Chemotherapie verabreicht wurde, verursachte bei ihm eine schwere allergische Reaktion. Gewisse Nervenzellen wurden abgetötet, sein Körper verlor dadurch Funktionen.
Hinter ihm liegt eine Odyssee von Aufenthalten in Spitälern, Rehakliniken und Wohnheimen. Seine Zeit dort erlebte der kulturinteressierte, belesene und konzertbegeisterte Vater einer 13-jährigen Tochter und eines 11-jährigen Sohnes als fremdbestimmt.
«Ich habe vieles verloren»
Der in Bern geborene, sportbegeisterte Mann, studierte Jura und zog später nach Zürich, wo es interessantere Möglichkeiten für ihn gab. Als Wahlfach an der Universität belegte er Europarecht. Die internationale Bühne zog ihn an und so war der zielstrebige Jurist mehrere Jahre bei internationalen Unternehmensberatungen tätig, zuletzt als Senior Manager bei Deloitte.
Zu dieser Zeit hätte der auf Erfolg und Leistung ausgerichtete Hobbysurfer nie an eine solche Wende in seinem Leben gedacht. Zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern, die ihm sehr viel bedeuten, hatte er sich eine Existenz aufgebaut und stand voll im Leben.
«Meine eigene Wohnung und die Arbeit haben mich ins Leben zurückgeholt.»
Nicolas Scholl TIXI Fahrgast
Zurück ins Leben
Nicolas Scholl musste sich schmerzhaft von seinem alten Leben verabschieden, um das neue Leben annehmen zu können. Seine damalige Anstellung wurde in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst.
Heute lebt er in einer eigenen, einigermassen rollstuhlgängigen Wohnung, nicht zu weit von seinen Kindern entfernt. Täglich erhält er Unterstützung von Studenten, die für ihn kochen und den Haushalt erledigen. Dank TIXI kann er auch wieder einer Arbeit nachgehen.
In der Brunau-Stiftung erledigt Nicolas Scholl für verschiedene Kunden/-innen die Buchhaltung und Vereinsadministration. «Dank TIXI komme ich aus dem Haus», erklärt der mobilitätseingeschränkte Mann.
«Ich fahre sehr gern. Es macht mir Freude, den Fahrgästen einen Dienst zu erweisen.»
Brigitte Keller TIXI Fahrerin
Die alltäglichen Hürden
Zürich hat ein gut funktionierendes öffentliches Transportsystem, solange die Nutzenden körperlich mobil sind. Ist jemand auf einen Rollstuhl angewiesen, wird es komplizierter. Wichtige Knotenpunkte wie der Paradeplatz sind nicht vollumfänglich barrierefrei und auch die Trams sind nur bedingt rollstuhlgängig.
«Mein Arbeitsweg wäre wohl möglich, aber nur mit Umwegen und längeren Wartezeiten», beschreibt Nicolas Scholl die Herausforderungen. Einfach aus dem Haus zu gehen, sei es für einen Einkauf oder ein spontanes Treffen, geht für ihn nicht. Es erfordere einiges an Organisation und Abklärungen, um sich in der Stadt bewegen zu können.
«Wo kann ich auf die Toilette, einkaufen gehen oder ein Bier trinken?», erklärt er. Seiner Meinung nach müsste der ÖV komplett barrierefrei sein. «So sieht es das Gesetz für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung vor und so ist es auch in der Bundesverfassung verankert», erklärt Nicolas Scholl.
Die Hilfsbedürftigkeit sei nicht immer einfach zu ertragen. Die Schwimmtherapie im Balgrist, digitale Konzertbesuche und Literatur geben ihm Kraft in schwierigen Zeiten. Obwohl er vieles verloren hat, ist er überzeugt davon, eine neue Lebensqualität gewonnen zu haben.