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Martin Zulliger: ein Vierteljahrhundert für TIXI 

«Sehr schnell durfte ich erfahren, dass die meisten unserer Fahrgäste viel fröhlicher und zufriedener sind als manch andere Menschen», berichtet TIXI Fahrer Martin Zulliger im Interview anlässlich des Tags der Freiwilligen.

Freiwillige im Einsatz

Ein Fahrer steht neben einem weissen TIXI Taxi im Wald.

Am 5. Dezember ist der «Internationale Tag der Freiwilligen». Bei TIXI, dem Fahrdienst für Menschen mit Behinderung, leisten rund 400 Fahrer:innen jedes Jahr Unglaubliches und ermöglichen 2’400 Fahrgästen von A nach B zu kommen – dies an 365 Tagen. Sie fahren dafür mit einem der 30 Tixi Fahrzeuge oder mit dem Privatauto. 

Im Gespräch mit dem Fahrer Martin Zulliger erfahren Sie mehr zu seiner Person, wie er vor 25 Jahren zu TIXI kam und was ihn motiviert und antreibt, sich freiwillig zu engagieren. 

Zur Person 

Martin Zulliger ist 47 Jahre alt, lebt im Züri Oberland und arbeitet als Steuerkommissär für den Kanton Zürich. In seiner Freizeit ist er oft mit dem Velo und seiner Kamera unterwegs und fotografiert dabei Landschaften und Architektur. Zu Hause ist er je nach Jahreszeit im Garten oder im Bastelraum anzutreffen. Auch dem Kulinarischen ist Martin nicht abgeneigt – sei dies vor oder hinter dem Herd. Sein langjährigstes Hobby jedoch ist: Mit dem Auto freiwillig Leute zu transportieren. 

TIXI: Du engagierst Dich seit 25 Jahren als freiwilliger Fahrer bei TIXI Zürich. Was war der Auslöser? 

Martin Zulliger: Ein Bekannter, der 1997 als TIXI Fahrer unterwegs war. Damals hatte ich ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub geplant, um eine Sprachschule zu besuchen und etwas Verrücktes zu tun, wie z.B. auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern. 

Als mich bei zweiterem dann der Mut verliess, nahm ich mit meinem Bekannten Kontakt auf und begleitete ihn auf einer seiner TIXI Fahrten. Sofort war ich hell begeistert und fand es eine gute Sache. Seither bin ich für TIXI Zürich im Einsatz und habe noch keine Minute bereut. 

Wie bekommst Du Beruf, Hobbies und Dein Engagement unter einen Hut? 

Ich fahre einmal pro Monat an einem Samstag. Die Schicht dauert meist zwischen sieben und acht Stunden und ist fix in meinem Kalender eingetragen, also gut planbar. An Feiertagen oder wenn ich meine Ferien zu Hause verbringe übernehme ich gerne weitere Schichten. 

Was tust Du nach Deiner Fahrschicht? 

Nach einem TIXI Tag mache ich ehrlich gesagt nicht mehr viel, richte mich zu Hause gemütlich ein und geniesse das gute Gefühl meinen Fahrgästen Freude und Freiheit geschenkt zu haben. 

Warum engagierst Du Dich als Freiwilliger? 

Als ich bei TIXI anfing, war es mir ein Anliegen etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun. Da ich damals zu wenig Geld hatte um spenden zu können, dachte ich: Warum nicht Zeit spenden. Mir war und ist es wichtig, den direkten Nutzen meines Engagements zu sehen und zu wissen was mein Einsatz bewirkt. 

Mich erfüllt es, wenn ich Menschen helfe etwas Schönes zu erleben, raus aus dem Alltag zu kommen und natürlich ihre Dankbarkeit und das Strahlen in ihren Gesichtern zu sehen. 

Was hast Du in den Jahren Deiner freiwilligen Tätigkeit gelernt? 

Als ich als 22-jähriger bei TIXI anfing, hatte ich keinerlei Berührungspunkte zu Menschen, denen es «schlecht» geht, beziehungsweise von denen ich dachte, es ginge ihnen schlecht. Sehr schnell durfte ich erfahren, dass die meisten unserer Fahrgäste viel fröhlicher und zufriedener sind als manch andere Menschen. 

Hattest Du auch schon undankbare Fahrgäste? 

In all den Jahren hatte ich vielleicht zwei «hässige» Gäste an Bord. Das eine Mal war ein Fahrgast gar nicht glücklich darüber, dass ein «so junger Schnösel» ihn fährt und dieser seines Erachtens auch die falsche Route zum Ziel nahm. 

In den Anfangszeiten gab es öfters Diskussionen betreffend Fahrgastsicherheit. Das war noch zu Zeiten als die TIXI Flotte aus VW-Bussen bestand. Ich erinnere mich an einen Fahrgast, der sich partout nicht sichern lassen wollte. Nach langer Diskussion signalisierte ich ihm durch das Herunterlassen der Hebebühne, dass die Fahrt so nicht stattfinden kann. Plötzlich ging es dann doch und der Fahrgast liess sich problemlos angurten. 

Konntest Du schon mal Bekannte motivieren sich freiwillig zu engagieren? 

Leider ist mir dies bis anhin nicht gelungen. Ich habe schon öfters Leute aus meinem Umfeld auf eine meiner Fahrten mitgenommen. Sie alle bestätigten mir, dass TIXI wirklich eine grossartige Sache sei und meinten «Wenn ich dann mal Zeit habe, mache ich das auch». Ich merke, dass viele Menschen Hemmungen und Berührungsängste in Bezug auf unsere Fahrgäste haben. 

Wie war dies bei Dir, hattest Du auch Berührungsängste? 

Ja, auch ich hatte zu Beginn Hemmungen und wusste nicht, wie ich auf die Fahrgäste zugehen sollte. Dies änderte sich relativ schnell. Zu verdanken habe ich dies einer älteren Dame im Rollstuhl. Als ich sie abholte und mich vorstellte, sass sie in ihrem Rollstuhl, die Hände unter einer Decke verborgen. Sie wirkte auf mich so zerbrechlich. Sie meinte «Geben sie mir doch bitte ihre Hand zum Grüezi sagen». Ich muss sie mit grossen Augen angeschaut haben, denn sie meinte «Nur zu, unter der Decke sind meine Hände». Als ich ihr zögernd die Hand gab fragte sie: «Geben sie ihre Hand immer so – drücken sie sie doch richtig». Mit ihrer offenen Art hat sie mir damals die Hemmungen im Umgang mit Fahrgästen genommen. 

Welchen Stellenwert hat das Engagement in Deinem Leben? 

TIXI hat einen sehr hohen Stellenwert für mich und der monatliche Termin ist fix eingeplant. Dass es mir «stinkt», gab es noch nie. Natürlich kann es mal vorkommen, dass es terminlich nicht passt, aber dann finde ich mit der TIXI Disposition problemlos einen anderen Samstag. 

Als im Frühjahr 2020 während dem ersten Corona-Lockdown meine monatlichen Einsätze nicht mehr stattfinden konnten, bemerkte ich wie mir das Tixifahren und die vielen bereichernden Begegnungen mit unseren Fahrgästen fehlten, das berührte mich sehr. 

Welches war Dein schönstes Erlebnis auf Deinen Fahrten? 

Es gibt nicht «Das schönste Erlebnis». Es sind all die vielen kleinen Momente auf den Fahrten und die vielen verschiedenen Kontakte mit den Fahrgästen welche jede TIXI Schicht zu etwas ganz Besonderem macht. 

Welches war Dein lustigstes Erlebnis? 

Das war in den 90er Jahren mit einem Fahrgast von Birmensdorf nach Zürich ins Hallenstadion. Er wollte dort ein Konzert besuchen und seine Begleitung pünktlich um 18.30 Uhr treffen Der Fahrgast hat die ganze Fahrt gestänkert und behauptet, dass wir niemals pünktlich am Ziel ankommen würden. Irgendwann schlug ich ihm eine Wette vor. Ich sei bereit, ihm für jede Minute Verspätung einen Franken zu bezahlen. Für jede Minute, die wir früher ankämen, sollte er mir einen Franken bezahlen. Er willigte ein und ich fuhr im gleichen ruhigen Stil weiter wie bis anhin. Wir erreichten das Hallenstadion viel zu früh, er wäre mir am Schluss der Fahrt um die 15 Franken schuldig gewesen. Natürlich musste er mir diese nicht bezahlen. Mit einem Lachen im Gesicht meinte er nur «Das ging nun aber schaurig gut vorwärts». 

Was würde Dir ohne TIXI fehlen? 

Es sind die vielen Kontakte und Begegnungen mit unterschiedlichsten Menschen und die Einblicke in Lebensbereiche die mir fremd sind. Diese Bereicherung und der wertvolle Austausch mit unseren Fahrgästen würde ich sehr vermissen.   

Wie sah eine Fahrschicht vor 25 Jahren aus? 

Die Fahrzeugflotte war praktisch gleich gross wie heute. Ein grosser Unterschied zu heute ist der Zeitaufwand, den ich für meine Vorbereitung auf eine Schicht benötigte. Damals begann die Schicht bereits am Vorabend mit einem Telefonanruf an die TIXI Disposition, bei welchem ich meine Tour diktiert bekam. Google Maps gab es damals noch nicht und Navigationsgeräte waren unerschwinglich teuer. Somit galt es die Tour mit papierenen Strassenkarten und dem Zürcher Gemeindeatlas zu organisieren und sich Schritt für Schritt aufzuschreiben, wo der Weg lang führt. Um eine Tagesschicht seriös vorzubereiten, benötigte ich damals zwischen drei bis vier Stunden. Am nächsten Morgen ging es mit Klemmbrett, Gemeindeatlas, Post-it, einer Thermosflasche mit Kaffee und dem «Eingeklemmten» mit dem VW-Bus los und ich fühlte mich oft ein wenig wie der «König der Strassen». 

Hattest Du damals mehr Zeit für Deine Fahrten? 

Die Zeiten waren eigentlich gleich, aber es hatte massiv weniger Verkehr. 

Wie muss man sich eine Fahrschicht heute vorstellen? 

Meine Fahrten beginnen jeweils am Standort in Dübendorf. Als erstes setze ich mich mit der TIXI Disposition in Verbindung – der erste Aufsteller am Tag – und wir stellen gemeinsam sicher, dass mein Fahrrapport aktuell ist. Mir ist es wichtig, dass ich vor der ersten Fahrt genug Zeit habe, noch einen Kaffee zu trinken. Am liebsten mag ich es, wenn die Fahrten gut getaktet sind und ich nicht zu lange Pausen zwischen den Fahrten habe. Ausserdem fahre ich gerne längere Strecken und wenn es dann noch Überland-Strecken sind, umso besser. 

Was ich gar nicht mag ist, wenn ich über die ganze Schicht verteilt nur kurze Strecken fahre und nach jeder Fahrt eine lange Pause einlegen muss. 

Was hat sich aus Deiner Sicht in den letzten Jahren am meisten verändert? 

Im Umgang mit den Fahrgästen ist eigentlich alles noch so wie früher. Etwas das sich sehr stark verändert hat, ist das viel höhere Verkehrsaufkommen. Das ist teilweise sehr anstrengend – vor allem rund um die Stadt Zürich und leider auch an den Wochenenden. 

Zum Positiven verändert haben sich die Autos der TIXI Flotte. Dank Rampen und ausgetüfteltem Ausbaustandart ist das Fahren für Fahrgäste im Rollstuhl nicht nur viel komfortabler, sondern auch viel sicherer. Für uns Fahrer sind die heute selbstverständliche Klimaanlage, Navigationssystem und Co. eine Bereicherung. 

Haben sich Deine Erwartungen als Ehrenamtlicher verändert? 

Nein, diese sind immer noch gleich – ich möchte etwas Sinnvolles tun und Menschen in ihrer Mobilität unterstützen. 

Welchen Tipp würdest Du interessierte Fahrer:innen geben?

Man muss gerne Auto fahren und genau so gerne auf Leute zugehen. Im Kontakt mit den Fahrgästen ist es am besten, möglichst authentisch zu sein, dann fühlen sie sich am wohlsten. 

Was wünschst Du TIXI zum 40-jährigen Jubiläum?

Bleibt so, wir ihr seid – freundlich, offen, präsent und bewahrt das gute Image in der Öffentlichkeit. 

Was wünschst Du Dir als Freiwilliger für die Zukunft? 

Dass sich die Situation mit den fehlenden freiwilligen Fahrer:innen entspannt und sich wieder mehr Menschen für unsere gute Sache engagieren. 

Bitte vervollständige zum Schluss diese Aussage: Der Lohn für mein freiwilliges Engagement bei TIXI ist nicht ein Salär, sondern… 

…das Strahlen in den Augen meiner Fahrgäste. 

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