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Demenz: leben mit dem Vergessen 

Einige unserer Fahrgäste sind von Demenz betroffen. Die Geschäftsleiterin von Alzheimer Zürich, Christina Krebs, gibt Auskunft über diese heimtückische Erkrankung, die einen alles vergessen lässt.

Fokus

Ein Mann arbeitet in einer Werkstatt an einer Statue.

Für Betroffene und Angehörige bleibt es aber eine grosse Herausforderung, wenn die Diagnose Demenz fällt. Die Geschäftsleiterin von Alzheimer Zürich, Christina Krebs, stellte sich unseren Fragen.

Was versteht man unter dem Begriff Demenz?

Demenz ist ein Sammelbegriff von neurodegenerativen Erkrankungen im Gehirn. Übersetzt heisst das eine krankhafte Vergesslichkeit, die immer mehr zunimmt. In einem Kuchendiagram der Demenzerkrankungen macht Alzheimer je nach Lesart ca. 70-80% aus. Die Krankheit verläuft in Kurven und der Zustand verschlechtert sich bei manchen Leuten sehr schnell und bei anderen ist es ein langsamer Prozess.

Welches sind Warnsignale, die auf eine Demenzerkrankung hinweisen könnten?

Warnsignale sind Gedächtnisstörungen, Vergesslichkeit und eine fehlende Orientierung im Raum und der Zeit. Betroffene sind dann als Beispiel plötzlich orientierungslos in einer Strasse, die sie seit Jahren kennen. Abläufe wie einen Kuchen zu backen sind plötzlich nicht mehr möglich. Auch Mühe mit der Sprache, ein fehlendes Zeitgefühl oder wahnhafte Vorstellungen können Anzeichen sein. Zudem werden Betroffene oft antriebslos, sind depressiv, misstrauisch anderen gegenüber und explosiv. Wichtig ist es, eine Abgrenzung zu machen zwischen Demenz und einer normalen Alltagsvergesslichkeit, die z.B. durch Stress begünstigt werden kann.

Welche Schritte sind sinnvoll beim Verdacht auf eine Demenzerkrankung?

Wichtig ist, dass Angehörige und Betroffene sich bei einer Anlaufstelle melden, wenn sie beunruhigt sind. In den Memory Kliniken kann man sich direkt anmelden, um sich abklären zu lassen und andere Erkrankungen ausschliessen zu können. Dieses Angebot ist eine Grundleistung der Krankenkasse. Es lohnt sich, genug früh Abklärungen zu machen. Es gibt Medikamente, die die Demenz etwas hinauszögern können. Demenz ist leider aber noch immer nicht heilbar trotz jahrelanger Forschung.

Welches sind die Risikofaktoren?

Meistens ist die Krankheit nicht vererbbar. Es gibt nur ganz wenige vererbbare Demenzerkrankungen. Es gibt offensichtliche Risikofaktoren wie wiederholte Schläge aufs Gehirn, Unfälle, oder z.B. im Sportbereich die Boxerdemenz oder auch gewisse Krankheiten, Alkohol- und Drogenmissbrauch oder Umweltbelastungen.

Wie verändert sich die Lebensrealität von Betroffenen?

Für Betroffene ist es am Anfang sehr schwierig, zu akzeptieren. In einer späteren Phase lässt es sich nicht mehr gut messen. Für Menschen mit traumatischen Vergangenheiten wie Krieg oder Vergewaltigung kann es sehr schwierig werden, weil sie die Handlungen an sich selbst wie z.B. geduscht zu werden als einen Angriff gegen ihren Körper wahrnehmen. Betroffen sind auch die Angehörigen. Das Leben wird auch für sie komplett aufgewühlt, finanzielle Sorgen können dazukommen und die Unmöglichkeit, seinen Partner pflegen zu können, wenn man selber älter wird.

Wie können Angehörige angemessen auf Betroffene eingehen?

Es ist wichtig, dass Angehörige lernen, sich selbst ernst zu nehmen.  Sich klar zu werden, was sie leisten können und was nicht. Dabei müssen Vorstellungen losgelassen werden. Eine Demenzerkrankung dauert durchschnittlich 7 Jahre. Es ist gut, wenn Betroffene sich von Anfang an damit auseinandersetzen, was die beste Wohnsituation wäre, wie die finanziellen Verhältnisse sind und wo man Unterstützung erhält. Alzheimer Zürich berät unentgeltlich und hilft bei der Vermittlung von Angeboten oder Selbsthilfegruppen für Angehörige.

Mit welchen vielleicht schmerzhaften, aber wichtigen Realitäten sollten sich Betroffene frühzeitig auseinandersetzen?

Es muss das Loslassen geübt werden. Mit einer Demenzerkrankung ist nichts mehr so, wie es war. Je offener und flexibler die Betroffenen damit umgehen können, desto einfacher wird es. Da es ein Prozess ist, kann auch eine Begleitung durch eine Psychotherapie beispielsweise hilfreich sein. Es hilft, sich in die Situation reinzuschicken. Für Betroffene ist es wichtig, finanzielle Angelegenheiten wie das Erbe oder Testament frühzeitig zu regeln, herauszufinden, was man der nächsten Generation noch weitergeben möchte oder andere wichtige Dinge zu regeln. Öfters als man denkt gibt es Familiengeheimnisse wie uneheliche Kinder, die vielleicht noch aufgeklärt werden müssen. All dies ist eine Entlastung für alle Beteiligten.

Wie verändert sich die Beziehung zueinander, wenn der Partner/ die Partnerin betroffen ist?

Es gibt Beziehungen, die halten und andere werden schlechter, vor allem wenn eine Machtthematik reinfliesst. Es kann sein, dass der Angehörige jemand anderen kennenlernt und eine neue Beziehung führt. Aber auch Demenzkranke, die zum Beispiel im Pflegeheim jemanden kennenlernen und gar nicht wissen, dass sie einen Ehemann oder eine Ehefrau haben.  

Mit welcher Unterstützung können Angehörige und Betroffene rechnen?

Es gibt eigentlich nur die regulären Leistungen wie die Sozialhilfe, Ergänzungsleistungen oder Hilflosenentschädigung. Da die Betreuung von Betroffenen aber nicht bezahlt wird, werden Angehörige sehr ausgelaugt. Auf politischer Ebene muss dafür gekämpft werden, dass es für die langen Phasen der Betreuung, die sehr anstrengend sind, Betreuungsunterstützung gibt. Eine entsprechende Forderung dazu wurde von verschiedenen Altersorganisationen initiiert. Sonst laufen wir künftig Gefahr, dass der Mittelstand bei einer Demenzerkrankung verarmt. Niemand sollte mit einer solchen Diagnose allein gelassen werden.

Initiativvorschlag für Volksinitiative

Gegen das Vergessen – Anlaufstellen und Organisationen

Plattform Mäander

Die Gesundheitsdirektion Kanton Zürich hat die Stiftung «Plattform Mäander» ins Leben gerufen. Aufgabe der Stiftung ist es, die gesellschaftliche Integration von Demenzbetroffenen zu verbessern. Dazu sollen Menschen mit und ohne Demenz und Organisationen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft zusammengebracht, Projekte zur besseren Integration der Betroffenen initiiert und über erfolgreiche Strategien und Lösungsansätze breit informiert werden.

Paulie und Fridolin Düblin Stiftung

Die PFD Stiftung unterstützt dort, wo die eigenen Mittel von Betroffenen und Familien nicht ausreichen, um den Verbleib eines Menschen mit Demenz im häuslichen und familiären Umfeld weiterhin zu ermöglichen. Sie finanziert in erster Linie Massnahmen der ambulanten und teilstationären Betreuung und unterstützt Angehörige bei dieser Aufgabe. Dabei sind der PFD Stiftung Würde, Autonomie und eine hohe Betreuungsqualität wichtig.

Memory-Kliniken

In den Memory-Kliniken (Bsp. Stadtspital Zürich Waid) können sich Menschen mit Verdacht auf Demenzerkrankungen abklären und behandeln lassen. Das Angebot ist nicht nur für ältere Menschen offen, sondern auch für Personen, die noch im Arbeitsprozess stehen und aufgrund ihrer Defizite im Gedächtnis und Denken nicht die volle Leistung erbringen können. Memory-Kliniken gibt es in allen Kantonen.

Alzheimer Zürich

Das Angebot von Alzheimer Zürich umfasst unterschiedlichste Beratung, Begleitung, einen Entlastungsdienst und Schulung von Menschen mit Demenz, deren Angehörigen und deren Umfeld. Als Fachstelle vermittelt sie Wissen und schafft Zugang zu spezifischen Informationen und eigenen Angeboten. Zudem vertritt sie die Interessen der Betroffenen und der Angehörigen gegenüber der Öffentlichkeit und in der Politik. Alzheimer-Telefon: 058 058 80 00

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