Vanessa Grand, können Sie sich noch erinnern, wie ihre Musikkarriere begann?
Als Neunjährige bekam ich ein Keyboard zu Weihnachten geschenkt. Damit fing alles an. Zunächst war ich im Freundes- und Bekanntenkreis als Alleinunterhalterin unterwegs. Dann kam die erste CD und damit der Durchbruch, zumindest im Rahmen meiner Möglichkeiten.
Weshalb so vorsichtig? Sie standen doch mit einigen Grössen der Volksmusik zusammen auf der Bühne?
Das stimmt, aber diese Aufritte waren die Ausnahme. Es gibt Veranstalter, denen es egal ist, ob du mit einer Behinderung auf der Bühne stehst oder ohne. Sie buchen dich, weil es um die Musik geht. Doch leider gibt es sehr oft das Gegenteil und die Behinderung ist ein Hindernis. Ganz grundsätzlich ist das Musikgeschäft aber nicht für Menschen wie mich gemacht. Das fängt beim Thema Barrierefreiheit an und hört beim gängigen Vorurteil auf, wir stünden nur wegen eines Mitleidsbonus auf der Bühne.
Sind Sie enttäuscht vom Musikgeschäft?
Nicht enttäuscht, aber ich bin Realistin. Inklusion ist dort noch weit weg. Und als Musikerin/Sängerin mit Behinderung wird einfach noch zu oft unterstellt, dass wir nicht dasselbe leisten müssten. Oder bewusst als Quoten-Behinderte auftreten.
Was ist es dann, was Sie so fasziniert an der Schlagerwelt?
Musik verbindet Menschen. Ich habe durch meine Auftritte und meine Fanreisen enorm viele Kontakte geknüpft, Musikkolleg:innen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Wir haben zusammen viele unbeschreiblich schöne Momente erlebt. Daraus ist ein Netzwerk entstanden, das mich trägt, auch wenn es mal nicht so gut läuft im Leben.
Haben Sie nie überlegt, Musik und politischen Aktivismus miteinander zu verbinden? Vielleicht sogar politische Lieder zu schreiben?
Ich habe das immer strikt getrennt: Bei Konzerten politische Statements abzugeben, ist nicht meins. Das mache ich als Politikerin. Auf der Bühne versuche ich als Sängerin zu überzeugen. Denn aus meiner Sicht wäre Inklusion im Musikbusiness leicht zu erreichen. Andere haben High Heels an beim Auftritt, ich komme eben im Rollstuhl. Die Musik zählt, nicht das Aussehen des Künstlers. Das ist für mich gelebte Inklusion. Und viele im Publikum verstehen das. Nur die grossen Veranstalter, Agenturen und leider auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen meist nicht.
Mancher unserer Fahrgäste, der zur Gesangstherapie geht, berichtet von den positiven Effekten des Singens auf sein Wohlbefinden.
Der therapeutische Aspekt stand bei mir nie im Vordergrund. Ich kam zur Musik, weil es mir quasi in die Wiege gelegt wurde und immer sehr viel Freude gemacht hat. Wenn ich ehrlich bin, muss ich aber zugeben, dass sich mein Lungenvolumen erheblich vergrössert, wenn ich viel singe. Das ist für Menschen mit meiner Erkrankung sehr wichtig. Und natürlich stärkt es auch meine Gesangsstimme.